Kritikfähigkeit

Kritikfähigkeit bezeichnet dein Vermögen deine Einstellungen und dein Verhalten im Umgang mit Drogen zu hinterfragen und, wenn nötig, zu ändern. Dazu gehört es auch sinnvolle Kritik von anderen aufnehmen zu können und dies nicht gleich als Angriff auf dich zu verstehen. Kritikfähigkeit ist notwendig um dich selbst und andere Menschen mit deinem Konsum nicht zu gefährden und um sicher zu stellen, dass dein Umgang mit Drogen zu deinem eigenen Glück beiträgt und es nicht verhindert.

Kernfragen der Kritikfähigkeit

Was sind meine Gründe diese Droge zu gebrauchen oder nicht zu gebrauchen? Was sind die guten und schlechten Auswirkungen meines Drogengebrauchs auf mich und mein Umfeld? Kann ich das vor mir selbst und meinen Mitmenschen verantworten und, wenn nicht, wie verändere ich das? Konsumiere ich zu häufig oder zu regelmäßig? Gefährde ich mich oder andere mit meinem Konsum? Wie reagiere ich auf Kritik zu meinem Konsum von anderen Menschen? Ist die Kritik förderlich oder geht es darum mich schlecht zu machen oder zu manipulieren? Brauche ich Hilfe? Warum ist diese Handlung verboten? Habe ich Respekt vor Gebrauchern*Gebraucherinnen anderer Substanzen oder verurteile ich sie?

Konsumgründe hinterfragen, Hilfe holen falls nötig

Bevor du eine Substanz gebrauchst oder nicht gebrauchst, ist es hilfreich sich über die Gründe bewusst zu sein. Diese Gründe können sich mit der Zeit ändern, können allgemein sein oder nur für die Situation zutreffen. Hier sind einige Beispiele für Konsumgründe: eine tolle Erfahrung machen wollen, Neugier, Protest, Craving (starkes Verlangen nach der Substanz, z.B. bei Abhängigkeit), dem Bauchgefühl folgen, Erleben von Spiritualität, Flucht aus dem Alltag oder vor Problemen, Erleben andere Sichtweisen, Erkunden innerer Räume… Nicht-Konsumgründe können sein: Fehlendes Wissen über die Droge, eigene Krankheiten, Angst oder Unwohlsein, sich nicht bereit fühlen, das Risiko nicht eingehen wollen, unpassende Situation, Vorurteile, keine Lust drauf haben… Bei beiden gibt es natürlich noch viele mehr und dir ist vielleicht aufgefallen, dass ich bei beiden nicht nur ‘gute Gründe’ genannt habe. Konkret geht es darum zu hinterfragen, was ich als Konsument*in warum tue und welche Folgen das für mich und meine Umgebung hat.

Es ist auch wichtig, dass du dir Hilfe holst, wenn du das Gefühl hast nicht mehr klar zu kommen und dass du dich nicht gleich selbst aufgibst. Meiner Erfahrung nach und nach dem was ich so allgemein mitbekomme, führen häufig andere Probleme zu Problemen im Umgang mit Drogen. Das können zum Beispiel Probleme sein, die sich aus der Situation ergeben in der du dich allgemein befindest (zum Beispiel: Trauer, Ausbeutung durch den oder der Arbeitgeberin, Stress, Einsamkeit), die aus deinem sozialen Umfeld Stammen (Probleme mit Freund oder Freundin, Eltern, Arbeitskollegen…) oder aus dir selbst (traumatische Erfahrungen, Depression, Angst z.B. vor bestimmten Menschen oder Menschenmengen, das Gefühl Anforderungen nicht gerecht zu werden, Persönlichkeitsstörungen…). Diese Probleme hindern uns daran glücklich zu sein und Drogen können ein mächtiges Mittel darstellen um uns zum einen damit auseinander zu setzen, aber auch davor zu fliehen und sie schlimmer zu machen. Die Fähigkeit Hilfe zu holen, wenn du sie brauchst ist eine Stärke, keine Schwäche. Sie macht dich nicht unmündig sondern zeigt, dass du in der Lage bist das Problem zu erkennen und Lösungswege zu finden.

Als Tipp: Aufgrund unseres derzeitigen gesellschaftlichen Wahnsinns im Umgang mit Drogen, ist es einigen Einrichtungen leider mehr daran gelegen, dass du keine illegalisierten Substanzen mehr konsumierst, als dir bei deinen eigentlichen Problemen zu helfen – insofern das nicht dein Problem ist. Zum einen ist es hier wichtig für dich ehrlich zu hinterfragen, in wie fern dein Konsum wirklich das Problem darstellt und wie du dir deinen Umgang mit der Substanz in Zukunft selbst vorstellst, und zum anderen heraus zu finden wie du mit diesen Vorstellungen die Hilfe bekommst, die du brauchst. Es gibt aber Einrichtungen, die dich nicht gleich als Drogenkonsument*in abstempeln und dann nicht mehr ernst nehmen, schau doch mal bei den Links.

Selbstbewusstsein haben und behalten

Wenn du dich offen zum Gebrauch einer Droge bekennst, die nicht zu den gesellschaftlich akzeptierten Drogen gehört (Alkohol, Nikotin und Koffein), ist es relativ einfach Kritik zu ernten. Wenn die Substanz illegalisiert ist, kann das sogar zu strafrechtlichen Problemen führen. Andererseits ist es in unserer Gesellschaft auch nicht unüblich dafür kritisiert zu werden keinen Alkohol zu trinken. Es gibt also Kritik, die nur darauf abziehlt dich klein zu machen und zu manipulieren, weil dein Verhalten und deine Einstellungen nicht in das Wunschbild des anderen passen. Hier ist es wichtig allgemeines Selbsbewusstsein zu bewahren und auch Selbstbewusstsein als Konsument*in. Wenn es dir nicht noch Probleme mit dem Gesetz beschert, teil deinen Standpunkt klar und ohne die andere Person anzugreifen mit. Wenn sie dich respektiert, kann daraus eine interessante Diskussion werden, wenn das aber nicht so ist, bringt es auch nichts zu diskutieren. Sie wird sie sich nicht überzeugen lassen und dich nur weiter angreifen. Am Besten du hälst dich von solchen Arschlöchern fern.

Mit Selbstbewusstsein als Konsument*in meine ich, dass die Tatsache, dass du eine gesellschaftlich nicht akzeptierte Droge konsumierst, dich nicht zu einem schlechteren Menschen macht, und du die gleichen Rechte auf Respekt und Anerkennung verdienst wie alle anderen. Das heißt auch, dass du die gleichen Menschen- und Bürgerrechte hast, wie ein*e Nichtkonsument*in. Dieses Bewusstsein ist wichtig, weil du als Gebraucher*in solcher Substanzen zu einer Gruppe gehörst, die zielbewusst unterdrückt und diskriminiert wird. Unterdrückung wird aber auch dadurch ermöglicht, dass man sich unterdrücken lässt. Uns wurde von Kind an eine Scham und ein Tabu im Umgang mit vielen Drogen eingeredet. Nur wenn wir in der Lage sind, das zu verstehen und darüber hinaus zu wachsen, können wir auch die Politik ändern. Du bist nicht allein!

Förderliche Kritik aufnehmen

Es gibt auch fördernde Kritik, die dir dabei helfen kann zu wachsen. Hier ist es wichtig, diese nicht als Angriff zu verstehen. Schau was wahr ist und was nicht und was du ändern möchtest und ändern kannst. Oft ist uns etwas nicht bewusst und wir vergessen es deshalb bei unseren Handlungen. Respektvolle Kritik von anderen kann hier große Probleme verhindern. Zum Beispiel nutzen viele Menschen immer noch Geldscheine zum Sniefen. Wenn dich beim Konsum jemand darauf hinweist, dass sich sehr viele Krankheitserreger auf Geldscheinen befinden und du stattdessen Ziehröhrchen benutzt, kann das eine Ansteckung mit Hepatitis C verhindern.
Auch hier heißt es: Fehler gehören dazu und machen dich nicht ‘drogenunmündig’. Du kannst und brauchst es nicht allen Recht zu machen, aber es ist klug dich beim Wachsen als Mensch und Konsument*in unterstützen zu lassen.

Ethisch handeln

Wir sind mit unseren Konsum nie allein, selbst wenn wir allein konsumieren. Es ist wahr, dass unser Umgang mit Drogen auch Einfluss auf unser Umfeld hat. Wenn wir uns nicht darüber bewusst sind und entsprechend handeln, kann unser Umgang mit anderen Menschen stark gestört werden und diese können auch Schaden nehmen.

Beispielsweise kann das bloße Wissen deiner Familie um den Konsum von z.B. Cannabis dazu führen, dass sie sich Sorgen um dich macht oder gar von dir abwendet. Wenn dies keinen Schaden verursacht, schlage ich bei diesen ‘Outingfragen’ Offenheit und ehrliche, respektvolle Gespräche vor. Respektvoll bedeutet hier du respektierst den Standpunkt anderer, aber auch deinen eigenen ohne dich schlecht machen zu lassen, andere schlecht zu machen oder zu lügen. Gerade wenn die Katze ungewollt aus dem Sack gefallen ist, ist es wichtig mit solchen Gesprächen die Angst und Not aller ernstzunehmen und zu mindern.

Weiter führt die Illegalisierung auch zu ethischen Problemen: Ist es ethisch einer Person eine Ware abzukaufen, wenn ich weiß, dass dadurch ein kriminelles Netzwerk gestützt wird?

Betrachten wir als Beispiel Kokain: Da zur Herstellung von Kokain große Mengen der Cocapflanze benötigt werden, stammt hier gekauftes Kokain meist aus Ländern, wo diese Pflanze günstig und weitgehend gefahrlos angebaut werden kann – häufig Südamerika. Um jedoch das Kokain in Deutschland an einzelne Gebraucher*innen zu verkaufen, existiert dafür ein transnationales Netzwerk, es handelt sich also um organisierte Kriminalität. Damit dieses Netzwerk langfristig bestehen kann, ist es unter den rechtlichen Bedingungen notwendigerweise auf Geldwäsche, ja sogar Korruption und Gewaltanwendung angewiesen. Das heißt, auch wenn der Gebrauch von Kokain an sich nicht unethisch sein mag, so unterstützt man mit dem Kauf jedoch diese Verbrechen.

Aber auch bei anderen Substanzen, z.B. bei Opiaten und Cannabis, gibt es solche kriminellen Strukturen. Natürlich kann man hierfür der Politik die Schuld geben – und diese Anschuldigung ist auch mehr als gerechtfertigt – aber dies ändert im Moment nicht die Tatsache, dass der eigene Konsum zurecht verbotene Handlungen indirekt finanziell unterstützen kann. Andererseits würde man die eigene Inhaftierung oder die von Freunden riskieren, wenn man deshalb die Substanzen selbst herstellte oder herstellen lasse. Und wiederum werden Menschen – auch wenn sie nicht Teil eines solchen kriminellen Netzwerk sind – finanziell für dieses rechtliche Risiko kompensiert. Du trägst die Verantwortung für dein Handeln, also handle weise.

Trotzdem rate ich dringend davon ab Repressionsorgane, d.h. Polizei und Justiz bei BtmG-Straftaten, in welcher Form auch immer bei ihrer Arbeit zu unterstützen – unabhängig davon ob es hier um dich, Freunde*Freundinnen oder Bekannte geht. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Staat die wesentliche Verantwortung für dieses Leid trägt und es nur durch eine grundsätzliche Veränderung der Drogenpolitik verringert und beendet werden kann. Wenn du mit Repressionsorganen kooperierst, ist in der Regel niemanden geholfen, außer vielleicht der Karriere eines Beamten*einer Beamtin. Nur wenn du konsequent nicht mit ihnen redest, kannst du verhindern dich selbst und andere zu belasten!

Darüber hinaus ist der rücksichtslose Umgang mit psychoaktiven Substanzen nicht nur für dich gefährlich, sondern auch für andere. Dazu zählt zum Beispiel Auto fahren unter Drogeneinfluss, Abgabe von unsauberen oder unbekannten Substanzen, das Überreden oder gar Zwingen anderer zum Konsum, anderen Menschen ohne deren Wissen Drogen zu geben oder Psychospielchen mit berauschten Menschen. Solche Handlungen lassen sich nicht einfach verzeihen und haben immer Konsequenzen – auf die eine oder andere Art.

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